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Interview mit Professor Volker Heinemann, neuer Präsident der Bayerischen Krebsgesellschaft

Bayerische Krebsgesellschaft e.V.
München

Prof. Dr. med. Volker Heinemann, Direktor des Comprehensive Cancer Center München (CCC MünchenLMU) am Klinikum der Universität München, wurde auf der Mitgliederversammlung der Bayerischen Krebsgesellschaft (BKG) am 28. September 2024 in München zum neuen Präsidenten der Gesellschaft gewählt. Er übernimmt das Ehrenamt für die kommenden vier Jahre von seinem Vorgänger, Prof. Dr. med. Günter Schlimok, ehemaliger Chefarzt der II. Medizinischen Klinik am Klinikum Augsburg. Wir sprachen mit ihm zum Amtsantritt über seine Ziele.

BKG: Herr Professor Heinemann, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl als neuer Präsident der Bayerischen Krebsgesellschaft! 

Prof. Volker Heinemann: Vielen Dank! Es ist mir eine große Ehre, und ich freue mich darauf, die Zukunft der Bayerischen Krebsgesellschaft aktiv mitgestalten zu dürfen.

BKG: Was hat Sie motiviert, dieses Ehrenamt anzunehmen und sich noch intensiver für krebskranke Menschen und deren Angehörige in Bayern zu engagieren? 

Prof. Volker Heinemann: Krebs ist eine Erkrankung, die uns als Gesellschaft im Kern berührt. Jährlich erkranken in Deutschland etwa 500.000 Menschen neu an Krebs. Aktuelle Prognosen weisen darauf hin, dass diese Zahl bis 2030 auf rund 600.000 ansteigen wird.  Derzeit leben hierzulande rund 1,7 Millionen Menschen, bei denen in den letzten fünf Jahren eine Krebsdiagnose gestellt wurde. 

Eine Krebsdiagnose verändert das Leben der Betroffenen grundlegend. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit, viele ungeklärte Fragen zur Behandlung und die damit verbundenen Belastungen durch Operationen, Bestrahlung, Chemotherapie und mögliche Spätfolgen führen zu großer Verunsicherung. Viele Menschen fühlen sich in dieser Situation allein gelassen. Daher ist es mein Anliegen, Menschen in dieser schwierigen Lebensphase bestmöglich zur Seite zu stehen und zu unterstützen.

BKG: Welche Ziele verfolgen Sie als neuer Präsident der Bayerischen Krebsgesellschaft?

Prof. Volker Heinemann: Zunächst ist es mir wichtig, die bisherigen, hervorragenden Leistungen der Bayerischen Krebsgesellschaft (BKG) zu würdigen und fortzuführen. Die Arbeit der BKG basiert auf vier tragenden Säulen:

1) Psychosoziale Krebsberatung
Die BKG ist mit 13 ambulanten Psychosozialen Krebsberatungsstellenund 26 korrespondierenden Außensprechstunden in jedem Regierungsbezirk Bayerns vertreten. In diesen Beratungsstellen erhalten krebskranke Menschen und deren Angehörige umfassende Unterstützung bei der Krankheitsbewältigung. Die psychoonkologisch geschulten Fachkräfte leisten wohnortnah wertvolle Arbeit in den Bereichen Psychosoziale Krebsberatung, Online-Beratung, Fatigue-Sprechstunde, Beratung von Angehörigen, finanzielle Unterstützung in Härtefällen, Patientenveranstaltungen und Workshops sowie Kurse für gesunde Lebensführung.

2) Selbsthilfegruppen

Die BKG unterstützt über 160 ehrenamtliche Selbsthilfegruppen in Bayern, die als wertvolle Anlaufstellen direkt vor Ort betroffene Menschen
unterstützen. Diese Gruppen sind unverzichtbar und sollen weiter gestärkt werden.

3) Patientenratgeber

Eine wichtige Aktivität der BKG ist die Herausgabe von laiengerechten Patientenratgebern. Diese Broschüren sind kostenfrei erhältlich und stellen Ratsuchenden qualitätsgesicherte Informationen zu Diagnostik, Therapie und unterstützenden Begleitmaßnahmen zur Verfügung. Diese Ratgeber sollen auch in Zukunft ein wichtiger Bestandteil der BKG-Outreach-Aktivitäten sein.

4) Gemeinnützigkeit und Fundraising
Die BKG finanziert ihre Arbeit durch öffentliche Gelder und Spenden. Fundraising, d.h. das Einwerben von Spenden, spielt daher eine zentrale Rolle, die mit großer Professionalität unterstützt werden muss und die gewährleistet, dass die BKG ihre patientenbezogene Arbeit fortsetzen kann.

Neben diesen bewährten Angeboten möchte ich einige neue Themen mit dem BKG-Vorstand angehen. Mir ist es ein Anliegen, Entscheidungsträger aus Politik, Gesundheitswesen, Wirtschaft und Gesellschaft in Bayern in den Dialog einzubeziehen, um gemeinsam sinnvolle Lösungen zu finden. Vier Themenfelder stehen hier für mich im Mittelpunkt:

Prävention

Durch ein Optimales Zusammenspiel von Prävention und Früherkennung könnten möglicherweise 50-70% der Krebstodesfälle in Europa vermieden werden. Unser Ziel ist es, die Menschen direkt in ihren Lebenswelten zu erreichen und aufzuklären, damit sie gezielt ihr Krebsrisiko senken können. Dazu zählen:

  • Impfung gegen Hepatitis- und Humane Papillom-Viren (HPV)
  • Sonnenschutzmaßnahmen bereits ab dem Kindesalter
  • Primärprävention in Schulen: Achtsamkeit für einen gesunden Lebensstil, d.h. Förderung von gesunder Ernährung und Sport; Vermeidung von Rauchen und Alkohol
  • Aufklärung und Motivation zur Teilnahme an Früherkennungsprogrammen
  • Reduktion von Umweltbelastungen über Verkehr, Feinstaub, Industrie, Plastik…
  • Sekundärprävention (Erkrankung vermeiden, Krankheitsverlauf mildern)
  • Tertiärprävention (Vermeidung von Folge- und Begleiterkrankungen)

Junge Menschen mit Krebs

Der Anstieg von Krebserkrankungen bei jungen Menschen ist besorgniserregend. Mögliche Ursachen könnten unter anderem Fehlernährung, Bewegungsmangel und Umweltbelastungen sein. Junge Patientinnen und Patienten haben spezielle Bedürfnisse. Mit dem Netzwerk Jukk – „Jung. Krebs. Kontakt“ – wurden bereits wichtige Initiativen in München, Augsburg, Ingolstadt und Regensburg geschaffen, die ich weiterentwickeln möchte.

Cancer Survivorship

Die Begleitung von Langzeitüberlebenden nach Krebs ist essenziell. Hierbei geht es um das Management therapiebedingter Nebenwirkungen, soziale und psychoonkologische Aspekte, Tertiärprävention und die Behandlung von Zweittumoren.

Umgang mit Krebs am Arbeitsplatz

Viele Betroffene kehren nach ihrer Therapie wieder an den Arbeitsplatz zurück. Um die Wiedereingliederung zu erleichtern, wollen wir gemeinsam mit Arbeitgebern an der Sensibilisierung für diese Thematik und geeigneten Integrationslösungen arbeiten.

BKG: Was macht für Sie eine optimale Behandlung von Krebspatienten aus?

Prof. Volker Heinemann: Für eine optimale Versorgung von Krebspatienten benötigen wir:

a) Zugang zu qualitätsgesicherter Diagnostik und Therapie, wie sie in den zertifizierten onkologischen Zentren und Organtumorzentren, also Brustzentren, Lungenzentren oder Prostatazentren etc. angeboten wird. Diese Zentren können dabei auch als Netzwerke von Kliniken und niedergelassenen Onkologen verstanden werden.

b) Zugang zu innovativen Diagnose- und Therapieverfahren, die oft im Rahmen klinischer Studien verfügbar gemacht werden.  

c) Möglichkeit zur Einholung von Zweitmeinungen zur Absicherung des onkologischen Vorgehens

d) Eine bedarfsorientierte psychosoziale Beratung durch geschulte Psychoonkologen, die als wichtiges Element zur Krankheitsverarbeitung beiträgt. Niemand sollte mit einer Krebserkrankung alleine bleiben müssen – niedrigschwellige Beratungsangebote sind daher für Betroffene in allen Regionen unerlässlich.

BKG: Welches Selbstverständnis haben Sie als Onkologe?

Prof. Volker Heinemann: Für mich steht der Mensch im Mittelpunkt. Die Themen Partizipation (Teilhabe), Empowerment (Befähigung durch Information) und die Einbeziehung der Patient*innen in medizinische Entscheidungen sind mir besonders wichtig. Gerade in Zeiten großer Verunsicherung ist es die Aufgabe des Arztes, Halt und Orientierung zu geben.

BKG: Was hilft Ihnen im Alltag dabei, auch in schwierigen Situationen das Positive zu sehen und sich jeden Tag wieder neu zu motivieren?

Prof. Volker Heinemann: Ich sehe es als großes Privileg, an kreativen Prozessen mitwirken zu dürfen, die darauf abzielen, Strukturen im Gesundheitssystem und die Qualität der Patientenversorgung zu verbessern. Es ist für mich die größte Motivation, wenn sinnstiftende Veränderungen zum Wohle der Patienten erreicht werden. 

Die großartigste Erfahrung bleibt für mich jedoch, wenn durch Einsatz einer menschlichen Hochleistungsmedizin Heilung erreicht werden kann oder wenn eine akut lebensbedrohliche Krebserkrankung in eine chronische Erkrankung überführt werden kann.

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