Natürlich gibt es Fragen und Anliegen von Betroffenen, die sich auch gut telefonisch oder per E-Mail beantworten lassen. So griffen etwa zwei Drittel aller Ratsuchenden während der Pandemie lieber zum Telefonhörer, als persönlich vorbeizukommen. Deshalb hatten wir seit März auch mehr telefonische Anfragen als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.
Aber Krebs macht nicht Halt vor Corona. Erkrankte und Angehörige haben die gleichen Probleme und seelischen Belastungen wie vor Corona. Und so kommt es auch während der Pandemie bei rund einem Drittel aller Betroffenen zu behandlungsbedürftigen, psychischen Störungen oder schweren existenziellen Krisen. Dann ist es besonders wichtig, dass sie in dieser belastenden Lebensphase nicht alleine sind, sondern professionelle psychoonkologische Hilfe in Anspruch nehmen können. „Auch bei komplexeren Problemen oder sozialrechtlichen Fragen, verbunden mit Antragsstellungen, empfehlen wir Betroffenen ein persönliches Beratungsgespräch“, betont Heide Perzlmaier von der Psychosozialen Krebsberatungsstelle München.
Wir haben in unseren Beratungsstellen ein einheitliches Hygienekonzept entwickelt, mit dem jeder Klient, der zu uns kommt, sich sicher fühlen kann. Die Face-to-Face-Beratung erfolgt nur nach persönlicher Anmeldung, mit Maske und entsprechendem Abstand, in gut gelüfteten Räumen. „Da die Maske mittlerweile auch ein Stück weit Alltag geworden ist, nehmen jetzt auch wieder mehr Erkrankte gerne eine persönliche Beratung wahr, denn sie hilft, um nach der erzwungenen Isolation durch den Lockdown wieder ein bisschen leichter zurück ins Leben zu finden“, erklärt Perzlmaier.
Die Maske verdeckt natürlich einen Großteil des Gesichts, dadurch geht ein Teil der Mimik verloren. „Es heißt zwar, die Augen wären der Schlüssel zur Seele, aber sie verraten dem Gegenüber längst nicht alles. Durch die Maske ist es für uns Berater etwas schwieriger, alles gut zu verstehen und auch selbst dem Klienten verständlich zu erklären. Deshalb üben wir uns darin, das was wir ausdrücken wollen, stärker über Worte zu transportieren. Das funktioniert ganz gut“, freut sich Perzlmaier.
Aber es gibt natürlich auch Situationen, wenn z. B. belastende Gefühle ins Spiel kommen, die mit Tränen verbunden sind, dann ist die Maske wirklich hinderlich. „Wenn Tränen fließen, jemand einen Schnupfen oder eine verstopfte Nase hat, wenn durch die Maske die Brille beschlägt, jemand nur schlecht Luft bekommt oder gar schwerhörig ist, so dass man sehr laut sprechen muss, kann die Maske mit genügend Sicherheitsabstand auch mal abgenommen werden“, so Perzlmaier.
So war es auch beiSusan B., Mitte 30:
Sie zog vor einem Jahr von Spanien nach Deutschland. Mit großen beruflichen Zielen im Gepäck wollte sie sich hier selbstständig machen und ihre Träume verwirklichen. Doch schon bald nach ihrem Umzug erkrankte sie an Brustkrebs. Ihr Traum von der Selbstständigkeit zerplatzte wie eine Seifenblase, noch bevor sie überhaupt beruflich richtig Fuß fassen konnte.
Als Susan B. in der Beratung ihre aktuelle Situation schilderte, wirkte sie bedrückt, aber gefasst. Sie bemühte sich anfangs, betont sachlich über ihre Lage zu sprechen. Doch schon bald hielt sie immer öfter inne, suchte nach den richtigen Worten bis sie irgendwann ihre Tränen nicht mehr zurückhalten konnte.
„Auch wenn die Klientin während unseres Gesprächs eine Maske trug, wurde schnell klar, dass sie sich sowohl körperlich als auch seelisch an einem Tiefpunkt befand. In dieser emotionalen Situation legten wir eine kurze Pause ein, damit die Klientin sich sammeln und ohne Maske am offenen Fenster tief durchatmen konnte“, erinnert sich Sozialpädagogin Rita Bernet von der Krebsberatungsstelle München. „Da uns in der aktuellen Situation keine Berührungen gestattet sind, Klienten z. B. mal aufmunternd bei der Hand zu nehmen, müssen wir mehr Empathie über unsere Worte zum Ausdruck bringen. Das erfordert Achtsamkeit und Zeit. Dadurch wird das Gespräch entschleunigt, was für die Klienten aber auch Vorteil sein kann“, so Rita Bernet.
Nachdem Susan B. im letzten Jahr eine intensive Therapie hinter sich gebracht hatte und im Januar 2020 auch eine Anschlussheilbehandlung anschließen konnte, wurde sie im März durch den Corona-Lockdown stark auf sich zurückgeworfen. Sie war körperlich sehr schwach und verließ auch deshalb ihre Wohnung nur selten: einmal zum Einzukaufen und einmal zur Physiotherapie. Sie hegte trotz schlechter körperlicher Verfassung den Wunsch, möglichst bald wieder arbeiten zu können. Dafür musste sie aber erst wieder zu Kräften kommen. Während der Pandemie wurden jedoch Kurse für Rehabilitationssport abgesagt. Susan B. fand kein entsprechendes Angebot, das sie nutzen konnte, obwohl sie gültige Verordnung hatte. Was ihre berufliche Qualifikation betraf, so hatte sie zwar drei universitäre Abschlüsse – zwei aus ihrem Heimatland und einen aus Deutschland, aber aufgrund von Corona waren gerade die Berufsfelder eingeschränkt, in denen sie sich selbstständig machen wollte. Hinzu kam ihre desolate Wohnungssituation, die sie einfach nicht zur Ruhe kommen ließ.
„Die Klientin kam mit großen existenziellen Sorgen in das Beratungsgespräch. Sie fühlte sich verzweifelt und ohnmächtig und hatte das Gefühl, nichts mehr beeinflussen zu können. In der Beratung loteten wir gemeinsam ihre realen Möglichkeiten aus. Wir sprachen über ihre persönlichen Ansprüche an sich selbst und darüber wie sie ihre Aufmerksamkeit erst einmal in Richtung – gesund und leistungsfähig werden – verschieben konnte. Wir gingen verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten durch, also gibt es z. B. kostenfreie Angebote oder auch finanzielle Unterstützung durch Stiftungsgelder? Wie ist mit der Arbeitsagentur zu sprechen, wenn Jobangebote kommen? Welche eigenständigen Vorschläge zur Weiterbildung oder Umschulung könnte sie dem Arbeitsamt unterbreiten? Wie kann sie am Wohnungsmarkt trotz ihrer Handykaps eine neue Wohnung finden?“, schildert Rita Bernet.
Die anfängliche Verzweiflung der Klientin wich im Laufe der Beratung einer kreativen und sogar humorvollen Neuausrichtung. Tränen wurden durch erleichtertes Lachen ersetzt. „Ich habe handfeste Tipps und wertvolle Gedankenanstöße von Frau Bernet erhalten und werde jetzt Stück für Stück ausprobieren, was mir weiterhilft und zu mir passt. Ich bin froh, dass ich hier in der Beratungsstelle München eine kompetente Ansprechpartnerin habe, mit der ich über meine Perspektiven sprechen kann. Ich werde auf jeden Fall wiederkommen“, sagte Susan B. am Ende des Gesprächs.
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Dort finden Sie zu diesem Thema auch ein Video mit einer Beraterin aus München.