Jedes Jahr erkranken in Deutschland etwa 4.600 Frauen neu an Gebärmutterhalskrebs und etwa 1.600 Frauen sterben an dieser Krebsart. Dabei gibt es bereits seit mehr als 10 Jahren eine Impfung gegen die Auslöser der Erkrankung, die Humanen Papillom-Viren (HPV). Studien belegen, dass die HPV-Impfung bei Frauen die Rate der Zellveränderungen am Gebärmutterhals deutlich reduzieren kann. Damit treten auch weniger Krebsvorstufen auf, aus denen sich nach etwa 10 bis 15 Jahren Krebs entwickeln kann. Deshalb hat die STIKO bereits 2007 eine offizielle Impf-Empfehlung für Mädchen im Alter von 9 bis 14 Jahren ausgesprochen.
Heute sind mehr als einhundert Typen humaner Papillom-Viren bekannt, einige verursachen harmlose Warzen auf der Haut, andere können Krebs auslösen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft derzeit folgende 12 Hochrisiko-HPV-Typen als karzinogen ein: 16, 18, 31, 33, 35, 39,45, 51, 52, 56, 58 und 59.
HPV kommen bei jungen Menschen häufig vor. Fast jeder Mensch im sexuell aktiven Alter infiziert sich im Laufe seines Lebens mit HPV, ohne davon etwas zu bemerken. In den meisten Fällen wird das Immunsystem alleine mit den Viren fertig. Setzen sich jedoch bei Frauen HPV über längere Zeit in der Schleimhaut der Gebärmutter fest, können sie Krebsvorstufen bilden. Diese müssen beobachtet und gegebenenfalls behandelt werden. Oft ziehen sie Operationen nach sich, die für betroffene Frauen sehr belastend sein können und die Familienplanung beeinträchtigen.
Internationale Studienauswertungen zeigen schon heute, dass durch die HPV-Impfung in den nächsten Jahren die Neuerkrankungsrate an Gebärmutterhalskrebs weltweit stark reduziert werden kann. Voraussetzung dafür ist aber, dass sich die Mehrheit der Mädchen und auch der Jungen im Alter von 9 bis 14 Jahren impfen lässt. Davon sind wir in Deutschland aber noch weit entfernt. Zu wenige Mädchen lassen sich impfen. Nach Aussagen des Robert-Koch-Instituts erhielten 2015 nur knapp 45 Prozent der 17-jährigen Mädchen eine vollständige Impfung. Andere Länder wie Australien, Finnland oder auch Dänemark sind bei der Umsetzung der HPV-Impfung durch flächendeckende Schulimpfprogramme für Mädchen und Jungen schon wesentlich weiter. Sie erreichen Durchimpfungsraten von über 70 Prozent.
Im Sommer 2018 hat die STIKO nachgezogen und endlich auch eine offizielle Empfehlung der HPV-Impfung für Jungen im Alter von neun bis 14 Jahren ausgesprochen. Im Prinzip hätten Eltern ihre Jungen auch vorher schon impfen können. Nur blieben sie meist auf den nicht unerheblichen Kosten von etwa 170-200 Euro pro Impfdosis sitzen. Damit die Impfkosten nun auch von den Krankenkassen übernommen werden, muss der Gemeinsame Bundesausschusses (G-BA) noch einen rechtswirksamen Beschluss verfassen, der voraussichtlich erst Anfang 2019 vorliegen wird.
Die deutsche Impf-Empfehlung für Jungen war aus Sicht vieler Wissenschaftler längst überfällig. Professor Harald zur Hausen erforschte den Zusammenhang zwischen HPV und Gebärmutterhalskrebs und wurde dafür im Jahr 2008 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet. Er forderte schon zur Einführung des Impfstoffes, die Jungen gegen HPV zu impfen. Warum die Jungen? HPV werden vor allem beim Geschlechtsverkehr übertragen. Jungen können sich beim Sex ebenso mit HPV infizieren und die Viren weitergeben. Kondome bieten keinen ausreichenden Schutz, denn die Viren können schon bei Berührung der Haut von Geschlechtsteilen oder beim Küssen/Lecken weitergegeben werden. Und da junge Männer im Alter von 15 bis 45 Jahren weltweit wesentlich mehr Sexualpartner haben als gleichaltrige Mädchen bzw. junge Frauen, sind sie der wichtigste Verbreiter von HPV. Werden also die Jungen geimpft, können sie ihre späteren Partnerinnen nicht mehr anstecken.
Aber das ist nur ein Grund für die aktuelle Impf-Empfehlung der STIKO. Die Wissenschaftler in der Kommission analysierten das Gefahrenpotenzial von HPV für Jungen und kamen zu dem Schluss, dass HPV bei Männern u. a. Penis- und Analkrebs sowie Krebs im Mund- und Rachenraum auslösen können. Nach Schätzungen des RKI treten bei Männern pro Jahr mindestens 600 Analkarzinome, 250 Peniskarzinome und 750 Karzinome in der Mundhöhle oder im Rachenraum auf, die auf eine HPV-Infektion zurückzuführen sind. Darüber hinaus sind HPV auch für Feigwarzen im Genitalbereich verantwortlich. Die sind zwar nicht lebensbedrohlich, dafür aber äußerst unangenehm und nur schwer zu beseitigen.
In Deutschland gibt es zwei HPV-Impstoffe, die zusammen mindestens 90 Prozent der Viren abdecken. Beide Impfstoffe beugen einer Infektion mit den Hochrisikotypen HPV 16 und 18 vor. Ein Impfstoff schützt darüber hinaus noch vor Infektionen mit HPV6 und HPV11 den Erregern von Genitalwarzen. Für Mädchen und Jungen im Alter von neun bis 14 Jahren sind heute nur noch zwei Impfdosen im Abstand von sechs Monaten nötig. Jugendliche ab 15 Jahren können die Impfung bis zum 18. Geburtstag nachholen, dafür benötigen sie aber noch drei Einzelimpfungen. Der Impfstoff wird direkt in die Muskulatur am Arm oder in den Oberschenkel gespritzt.
Beide Impfstoffe gelten als sicher und gut verträglich. Es können aber wie bei jeder Impfung u. a. Hautreaktionen wie leichte Rötungen, Schwellungen und leichten Muskel- oder Gliederschmerzen auftreten. Selten kommt es auch zu vorübergehenden Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel, oder Fieber. In äußerst seltenen Fällen kann es auch zu allergischen Reaktionen kommen, die behandelbar sind.
Gerade die Angst vor möglichen Nebenwirkungen durch die Impfung hat in Deutschland bisher viele Eltern davon abgehalten, ihre Kinder impfen zu lassen.
Geschürt wird diese Angst zusätzlich durch Medienberichte, in denen Impfgegner immer wieder neue Fehlinformationen streuen. Dabei wurde die Impfung erst in diesem Jahr von einem Forscherteam der Cochrane Stiftung als sicher und wirksam eingestuft. Die Cochrane-Stiftung ist ein globales, unabhängiges Netzwerk von klinischen Forschern, Ärzten, Methodikern, Angehörigen der Gesundheitsfachberufe und Patienten. Es setzt sich für eine verbesserte Gesundheitsinformation ein. Die Wissenschaftler fassten die Ergebnisse von 26 internationalen Studien mit Daten von mehr als 73.000 Frauen zusammen. Sie fanden keine Hinweise auf schwere Nebenwirkungen oder ein erhöhtes Risiko für Fehlgeburten.
Sollten Sie Kinder haben, scheuen Sie sich nicht, sie impfen zu lassen! Sie schützen damit nicht nur ihre Familie, sondern tragen zur Gesundheit aller bei. Viele Krankenkassen übernehmen aus Kulanz jetzt schon die Kosten für die Jungen-Impfung. Fragen Sie einfach bei Ihrer Kasse nach. Natürlich können Sie sich bei Unsicherheiten gerne an einen Arzt Ihres Vertrauens oder eine unserer Krebsberatungsstellen wenden. Wir helfen Ihnen gerne weiter.